Der fürstlich-ritterliche Wohnturm zu Siedlęcin (Boberröhrsdorf)   Leave a comment

Der Wohnturm zu Siedlęcin (Boberröhrsdorf) ist eines der prachtvollsten Bauwerke dieser Art in Mitteleuropa. Die meisten Forscher datieren seine Erbauung in die Jahre 1313-1314 und bringen sie mit der Bauherrentätigkeit des Fuersten Heinrich I. von Jauer zusammen. Die Fürstin Agnes von Habsburg, die Witwe des Fuersten Bolko II. von Schweidnitz, hat im Jahr 1368 oder 1369 das Gut Boberröhrsdorf an den Ritter Jenschin von Redern verkauft. Um 1368-1369 wurden die Wappen der Familie von Redern und von Zedlitz hinzugefügt. Die Familie von Redern herrschte in Boberröhrsdorf bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.

Ritterturm

Ritterturm

Bis zum 16. Jh. war der Turm ohne Dach und hatte nur 3 Stockwerke. Im 16. Jh. (circa 1575) wurde er um ein Geschoss erhöht und dabei sind die Schießscharten vermauert worden. Der Turm wurde dann mit einem Schindelwalmdach bedeckt. Ein paar Fensteröffnungen sind dabei entstanden und in jedem Stockwerk wurden Erker errichtet, die die Funktion von Latrinen übernahmen. Ein weiterer Umbau fand im 18. Jh. statt. An der Südwand wurde ein Hinterhaus angebaut, wobei der Wassergraben zum Teil zugeschüttet wurde. Gegen Ende des 19. Jh. wurden die ersten Restaurierungsarbeiten und eine Überholung des Dachverbandes und des Daches vorgenommen.

Die mittelalterliche Polychromie, die den großen Saal ausschmückt, wurde 1880 entdeckt und 1936 von allen deckenden Schichten befreit. Stellenweise waren diese dilettantisch übermalt gewesen. Die Wände im zweiten Stockwerk sind auf einer Gesamtfläche von 33 qm bemalt. Die verwendete Technik besteht darin, dass der trockene Putz mit den mit Kalkwasser bespritzten Farbstoffen bedeckt wurde (al secco).

Fuerst Heinrich I. von Jauer (der Sohn des Fürsten Bolko I. von Schweidnitz) dürfte das ideelle Programm der Wandmalereien inspiriert und finanziert haben. Die Malereien werden im Zeitraum 1345-1346 entstanden sein. Der Autor der Gemälde in Boberröhrsdorf stammte aus dem Gebiet der heutigen Nordschweiz.
Aus unerklärlichen Gründen hatte man die Dekorarbeiten im Turm unterbrochen, wiewohl noch im selben 14. Jh. Versuche unternommen wurden, die Arbeiten fortzuführen, die jedoch von einem anderen Maler geschaffen wurden. Seine Zeichnungen sind auch nicht fertig geworden.

Die Wandgemälde sind auch hinsichtlich ihres weltlichen Inhalts einzigartig, denn sie stellen Szenen aus dem damaligen Hof- und Ritterleben dar. Sie sind die einzigen mittelalterlichen Malereien in Europa, die die Geschichte eines der Ritter der Tafelrunde – Herrn Lancelot vom See, zeigen.

Die Darstellungen haben auch einen moralisierenden Hintergrund. Hl. Christophorus ist der Schutzherr aller Ritter und ein Muster der standhaften Treue gegenüber seinem Herrn – Christus, also das Muster eines guten Christen und Vasallen. Man sollte nicht vergessen, dass Lancelot , durch seine sündhafte Liebe zu Gunever, untreu gegen Artus war.

Interessant ist auch die Szene mit den Toten in ihren Gräbern und den darüber platzierten Paaren – einem Ritter und einer Jungfrau einerseits und einem Ritter und einer Verheirateten andererseits. Die Boberröhrsdorfer Malereien waren früher, wegen dilettantischer Übermalungen, als Epos von Ritter Ivein und die Geschichte der Stiftung des Zisterzienserklosters in Grüssau schlecht interpretiert worden.

Seit Dezember 2001 ist der Turm zu Boberröhrsdorf im Besitz der Stiftung „Schloss Chudow“. In 2006 wurden die mittelalterlichen Malereien renoviert.

Veröffentlicht 30/04/2009 von krkonos in Geschichte Hirschbergs, Riesengebirge

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